Neuköllns Kunstfestival beamt sich in die Zukunft

Bei den diesjährigen 48 Stunden Neukölln gab es drei Kunstprojekte zu erleben, die über den Aktionsfonds des Quartiersmanagements Flughafenstraße gefördert wurden

Quelle: Birgit Leiß

Quelle: Anna de Carlo

Quelle: Birgit Leiß

Zum Beispiel eine Installation mit Glückskeksen, die im Kesselhaus auf dem Kindl-Gelände gezeigt wurde. Die beiden Künstler, Anne Brannys und Thilo Droste, wollten, dass sich die Besucher*innen mit den eigenen Wünschen und Erwartungen auseinandersetzen. Für ihre künstlerische Arbeit „Du wirst reicher und jünger“ – den absurden Spruch hatte Thilo Droste tatsächlich einmal in einem Glückskeks gefunden– wurden 10 000 Kekse mit 70 verschiedenen Botschaften gebacken. 20 davon hatten die beiden Künstler bei Anwohner*innen im Flughafenkiez gesammelt, beispielsweise beim Kieztrödelmarkt. Gefragt wurde nach Wünschen, Träumen und Zukunftsvisionen, passend zum diesjährigen Motto der 48 Stunden Neukölln „Futur III“. Einige der Sprüche aus dieser „Neukölln-Edition“ sind ziemlich philosophisch oder rätselhaft, etwa „Den Himmel offen halten“ oder „Nicht viel wird dir bald genug sein“, andere recht konkret wie beispielsweise „Wohnungsmäßig stehen dir große Veränderungen bevor“. Es sei gelungen, die Leute über Kunst miteinander ins Gespräch zu bringen, sagt Thilo Droste: „Viele waren ganz beglückt und haben gesagt, dass der Spruch, den sie gezogen haben, genau zu ihrem Leben passt.“

Denkmäler aus Konfetti und Bierkästen  

Auch Patricia Sandonis hat ihr Kunstwerk mit Beteiligung der Nachbarschaft geschaffen. Sie wollte „normalen“ Anwohner*innen die Möglichkeit geben, ihre Geschichte zu erzählen. Die Künstlerin hatte 50 Passant*innen, zum Beispiel im Rathaus Neukölln oder in der Helene-Nathan-Bibliothek, angesprochen und ihnen die Hauptfrage gestellt: wie soll an Sie in der Zukunft erinnert werden? Daraus machte sie Ideenskizzen und fertigte dann daraus ihr „Kiez Monument“, eine Skulptur, die die Ideen der Anwohner*innen visualisiert. „Mehr Zusammenhalt und Bäume waren die am häufigsten genannten Punkte“, sagt die Künstlerin. Aber auch mit „Party“ verbinden viele den Kiez, in dem sie leben. Daher hat das Monument die Form einer Palme, der Zusammenhalt ist durch die miteinander verbundenen Glieder einer Kette dargestellt und das Konfetti steht fürs Partymachen. Ein weiterer Bestandteil: der pinkfarbene Ball der Hündin Rosie.

Kids aus dem Blueberry waren am Kunstwerk beteiligt

Patricia Sandonis ging es auch darum, die Lebensgeschichte der Einwanderer*innen Neuköllns gebührend zu würdigen, denn von ihnen gibt es fast keine Denkmäler. Sehr beeindruckt hat sie beispielsweise ein türkischstämmiger Mann, der am Abbau der Berliner Mauer beteiligt war. Beim Bau des Podestes, auf dem die Skulptur steht, hatten Kids aus dem Kinder- und Jugendtreff Blueberry Inn geholfen. „Die meisten Kinder kannten den Begriff Monument gar nicht“, erzählt Patricia Sandonis. Mit Blick auf die zahlreichen Fußballpokale im Blueberry erklärte sie ihnen, dass das so etwas Ähnliches ist wie eine Trophäe.

Von den Neukölln Arcaden ins Jahr 2039

In den Neukölln Arcaden öffnete sich während des Kunstfestivals eine geheime Tür zu einer furchteinflößenden Unterwelt. Per Video und Kopfhörer wurden die Besucher*innen der Performance „Future Leaks“ zunächst ins Jahr 2039 gebeamt, wo es keine Demokratie mehr gibt und die Menschen ihre Lebensgrundlagen selber zerstört haben. Unversehens geriet man in ein dunkles, stickiges Labyrinth und musste verschiedene Stationen durchlaufen, um einen Transitschein zu bekommen. Verlassen durfte man diesen Ort der Zukunft nämlich nur, wenn man sich verpflichtete, selber aktiv zu werden, damit diese Zukunft nicht Realität wird. Erst dann wurde der Transitschein abgestempelt – und man wurde über den Ausgang Flughafenstraße wieder ins Jahr 2019 entlassen. „Wir wollten nicht nur informieren, sondern den Ansporn geben, konkret etwas zu machen, sozusagen Ankerpunkte des Handelns setzen“, erklärt Regisseurin Anna de Carlo. Man habe ein „unbeschreiblich tolles Feedback“ bekommen: „In bin sehr beeindruckt, dass sich die allermeisten darauf eingelassen haben, obwohl es sehr heiß und stickig da unten war.“

Das Kunstfestival 48 Stunden Neukölln, das vom 14. bis 16.Juni stattfand, präsentiert seit nunmehr 21 Jahren Kunst mit Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Themen.