Eine Suchtklinik mitten im Kiez

Im Haus Flughafenstraße 42 werden Drogenabhängige bei ihrem Weg aus der Sucht rundum unterstützt

Quelle: Fachklinik F 42

Quelle: János Brückner

Quelle: Fachklinik F 42

Quelle: Fachklinik F 42

Suchtkliniken befinden sich meist auf dem Land, weit weg vom Drogenmilieu. Die Fachklinik F 42 der ADV Suchthilfe liegt dagegen mitten im Flughafenkiez. Wenn die rund 40 Bewohner vor die Haustür treten, treffen sie nicht selten ihre alten Dealer oder ihre noch drogenabhängigen Freunde. „Klar ist das schwierig, sie sind ständig Versuchungen ausgesetzt“, sagt Martin Rüdiger (Foto), Leiter der Einrichtung. Aber viele sagen, dass sie es draußen im Wald zwar schaffen, clean zu bleiben, aber kaum sind sie zurück im Kiez, fängt alles wieder von vorne an. Der Suchttherapeut ist daher überzeugt: eine Drogenreha mitten in der Stadt macht großen Sinn. „Es ist schwieriger zu schaffen, aber realistischer“.

Therapie, Beratung und Sport unter einem Dach

Die Einrichtung in der Flughafenstraße existiert bereits seit 1993. Angefangen hat alles mit 27 Plätzen, verteilt auf einzelne Wohnungen. Mittlerweile wurde das gesamte Haus samt Seitenflügel und Quergebäude angemietet. Hier arbeiten unter anderem Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen, Ernährungsberater*innen, Sozialarbeiter*innen und Sporttherapeut*innen. Der Betreuungsschlüssel sei sehr gut, betont Martin Rüdiger, seit Februar 2020 Leiter der F 42. Die meisten Klienten sind männlich und zwischen Mitte 30 und Mitte 40, also nicht mehr ganz jung. Während der sechsmonatigen Entwöhnung wohnen sie in Wohngemeinschaften im Haus. Anders als in den meisten anderen Suchtkliniken gibt es keine Vollverpflegung, das heißt die Bewohner müssen selber kochen. In der ersten Zeit werden sie beim Einkaufen begleitet. Den Verlockungen würden viele sonst nicht widerstehen.

Vorbereitung auf ein Leben ohne illegale Drogen

Viele bleiben auch noch für eine anschließende viermonatige Adaptionsbehandlung im Haus wohnen. In dieser Phase geht es um die weitere Stabilisierung. Die Klienten werden dabei unterstützt, einen Job, ein neues soziales Umfeld und eine Wohnung zu finden. „Wir vermitteln meist in spezielle Wohnprojekte, eine eigene Wohnung würde viele überfordern, außerdem haben sie auf dem Wohnungsmarkt praktisch keine Chancen “, erklärt Martin Rüdiger.

Abkehr von der Devise „Alles oder nichts“

Das Besondere in der Fachklinik F 42: hier wohnen viele, die Therapie statt Strafe machen, das heißt Menschen, die im Zusammenhang mit ihrer Drogensucht straffällig geworden sind und deren Strafe verkürzt wird, wenn sie eine Therapie machen. Auch Substituierte, die Methadon oder einen anderen Ersatzwirkstoff erhalten, werden angenommen. „Es gibt wenige Suchtkliniken, die diese beiden Gruppen nehmen“, berichtet Rüdiger. Mit Menschen zu arbeiten, die sich nicht aus eigenen Antrieb heraus zu einer Therapie entschlossen haben, ist eine besondere Herausforderung. Doch in der modernen Suchthilfe sei man längst davon weggekommen, Abstinenz als Voraussetzung zu sehen, erklärt Rüdiger: „Vielmehr ist die Motivation zur Abstinenz Ziel der Therapie.“ Nur drei bis 15 Prozent schaffen es. Aber mit jeder Reha steigt die Chance. „Es hat sich gezeigt, dass die meisten mehrere Anläufe brauchen, bevor sie langfristig clean bleiben, so Rüdiger.

Nähen ist auch was für harte Jungs  

Weil es auch darum geht, die Menschen ins Arbeitsleben zu integrieren, wurde im Nachbarhaus, der Flughafenstraße 44, eine Kreativwerkstatt inklusive Brennofen zum Töpfern und eine Lehrküche eingerichtet. Hier lernen die ehemaligen Drogenkonsumenten unter Anleitung von Arbeitstherapeuten zu kochen und Brot zu backen. Außerdem gibt es eine Schneiderei. An den nagelneuen Nähmaschinen werden Masken, Taschen, Kopfkissenbezüge und vieles mehr gefertigt. „Viele der „harten Jungs“ tun das zwar zunächst als „Mädchenkram“ ab, erzählt Martin Rüdiger: „Aber dann macht es den meisten doch sehr viel Freude.“ Wertschätzung für geleistete Arbeit sei etwas, was die meisten noch nie erfahren haben.

Die Fachklinik freut sich über Betriebe und Selbständige, die Praktikumsplätze anzubieten haben.

Fachklinik F42
Flughafenstraße 42
Telefon 6097820
https://www.adv-suchthilfe.de/fachkliniken/fachklinik-f42/