Flagge zeigen gegen den Drogenhandel

Was tun gegen die zunehmende Drogenproblematik rund um den Boddinplatz? Mit dieser Frage beschäftigte sich eine Info-Veranstaltung am 26.Juni

Wie sehr das Thema den Anwohner*innen unter den Nägeln brennt, zeigte die gut besuchte Veranstaltung im Haus der Bildung. Etwa 50 Menschen waren gekommen, darunter einige Gewerbetreibende aus der Hermann-/Ecke Flughafenstraße. Die Initiative war von der Wohngruppenleiterin der Wohnanlage des Beamtenwohnungsvereins in der Boddinstraße ausgegangen. Sie hatte sich mit der Bitte um Unterstützung an das Quartiersmanagement Flughafenstraße gewandt, weil sich in ihrer Sprechstunde immer wieder Mieter*innen über die Zustände beschweren. Es liegen Spritzen in den Vorgärten herum, Drogenkonsumierende setzen sich im Hausflur einen Schuss oder campieren dort mit dem Schlafsack. Einige verrichten im Gebüsch vor den Häusern ihre Notdurft. Mehrere Anwesende berichteten, dass am U-Bahnhof Boddinstraße inzwischen ganz offen mit Drogen gedealt wird.
 
Die Arbeit von Fixpunkt nutzt Drogensüchtigen und Anwohner*innen
  
Katja Bec und Anne-Katrin Riebe vom Team der Straßensozialarbeit bei Fixpunkt bestätigten, dass Drogenhandel und –konsum in der Boddinstraße seit einiger Zeit zugenommen haben, wobei es vor allem um Heroin und Kokain geht. Seit April 2017 ist das Team von Fixpunkt rund um den Boddinplatz unterwegs und sucht den Kontakt zu den Usern. Weil viele Drogenabhängige aus Polen oder Russland kommen, haben sie Sprachmittler dabei. „Unser vorrangiges Ziel ist es, das Überleben der Drogenabhängigen zu sichern“, erklärte Katja Bec. Es werden saubere Spritzen ausgegeben, Spritzenautomaten aufgestellt und zu gesundheitlichen Fragen beraten. Im Drogenkonsummobil, das mehrmals die Woche in der Karl-Marx-Straße steht, können selbst mitgebrachte Drogen in hygienischer Umgebung und unter medizinischer Aufsicht konsumiert werden. In der Warthestraße betreibt Fixpunkt außerdem die Kontaktstelle „Druckausgleich“ mit verschiedenen Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Die Streetworker*innen sammeln auch gebrauchte Spritzen ein und stellen Entsorgungsbehälter auf, etwa neben der Toilette am Boddinplatz. Im Bezirk ist man daher sehr froh über die Arbeit von Fixpunkt. „Wer sich im Drogenmobil einen Schuss setzen kann, sucht keine Hauseingänge oder Spielplätze auf“, meinte Michael Eggert vom Ordnungsamt.
 
Ein Allheilmittel gibt es nicht
 
Die Drogenproblematik an sich kann man nicht lösen, auch nicht mit häufigen polizeilichen Kontrollen. Darin waren sich alle Experten einig. „Wir wirbeln Staub auf und wenn wir Glück haben, lässt er sich woanders nieder“, beschrieb Peter Herzfeldt, Präventionsbeauftragter der Polizei im Abschnitt 55, das Dilemma. Das heißt: es findet immer nur eine Verdrängung statt. Zudem ist die strafrechtliche Verfolgung von Drogendelikten schwieriger, als man denkt. Selbst wenn manche Dealer kiezbekannt sind – es braucht handfeste Beweise. „Am Wirksamsten ist soziale Kontrolle“, meinte Herzfeldt. Er empfahl den Bürger*innen, Plätze zu vereinnahmen, etwa die Bänke vor dem Haus der Bildung, wo sich in letzter Zeit viele Drogensüchtige aufhalten. Oder sich mit anderen zusammentun und Leute ansprechen, die sich auf dem Spielplatz einen Schuss setzen wollen. Fixpunkt tut das ebenfalls und hat die Erfahrung gemacht: eine ruhige, aber bestimmte Ansprache, dass dies kein geeigneter Ort zum Drogenkonsum ist, zeigt meist Wirkung. „Wenn die Leute merken, dass die Bevölkerung sensibel reagiert, verändert sich etwas, davon bin ich überzeugt“, so der Präventionsbeauftragte. Auch die Geschäftsleute müssten dafür sorgen, dass sie den Dealern keine Basis bieten. Und das heißt vor allem: nicht dulden, dass vor den Läden gedealt und gefixt wird.
 
Gemeinsam sind wir stark!
   
Am Allerwichtigsten ist es, die Polizei unter 110 anzurufen, wenn immer man Drogenhandel oder Konsum beobachtet. Jede Anzeige geht in die Statistik ein und macht so gegenüber den politisch Verantwortlichen die Dimension des Problems deutlich. „Präsenz zeigen“, hält auch Quartiersmanagement Thomas Helfen für ein probates Mittel. Erste Schritte gibt es bereits. So ist das Team von „Boddin Power Play“ mit seinen Spiel- und Sportangeboten dreimal die Woche auf dem Boddinspielplatz und hat auch ein Auge auf all diejenigen, die hier Stress machen. Zusätzlich wird der Platz jeden Mittwochnachmittag vom Spielmobil angefahren.

Wie geht es weiter?
 
„Schließen Sie sich zusammen und leiten Sie ihre gesammelten Beobachtungen an die Zuständigen weiter“, ermunterte Quartiersmanager Thomas Helfen die Anwesenden. Neben Polizei und Ordnungsamt kommt dafür auch die Drogenbeauftragte des Senats in Frage. Ein Infoblatt mit Adressen und Ansprechpartnern soll demnächst erstellt werden. Und noch ein konkretes Ergebnis der Info-Veranstaltung gibt es: der Präventionsbeauftragte will den Beamtenwohnungsverein bei der Verbesserung der Vorgärten-Situation beraten. Noch unklar ist, was mit der öffentlichen Toilette am Boddinplatz passiert. Eigentlich soll sie weg, doch inzwischen fungiert sie quasi als inoffizieller Drogenkonsumraum. Das ist zwar unbefriedigend für all diejenigen, die dringend eine Toilette brauchen, verhindert aber, dass noch mehr Drogenkonsumierende auf den Spielplatz ausweichen. 

Die wichtigsten Verhaltenstipps in Kürze

- Rufen Sie die 110 an, wenn sie Drogengeschäfte beobachten! (geht auch anonym)
- Geschäftsleute, vor deren Tür gedealt wird, können Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten
- Haustüren sollten stets verschlossen sein. Öffnen Sie nur, wenn Sie denjenigen kennen, der klingelt


Fixpunkt 
Projekt Straßensozialarbeit Neukölln
Telefon 0163-346 36 76
neukoelln(at)fixpunkt.org