Fit gemacht für die Stadtteilbibliothek der Zukunft

Die Helene-Nathan-Bibliothek hatte am 15. März gleich zwei Anlässe zum Feiern: den 30. Jahrestag der Namensgebung und die offizielle Eröffnung der neuen Jugendbibliothek

Quelle: Birgit Leiss

In einer Stadtteilbibliothek geht es heute anders zu als zu Zeiten von Dr. Helene Nathan. Als die promovierte Bibliothekarin 1921 die Leitung der „Neuköllner Volksbücherei“ in der Ganghofer Straße übernahm, durfte man nicht einmal selber an die Regale. Laufburschen und „Büchermädchen“ holten die Bücher – andere Medien gab es sowieso nicht. Maximal zwei Bücher durfte man ausleihen, wovon eines „belehrend“ sein musste. Lesen war seinerzeit etwas für feine Damen und höhere Töchter. Helene Nathan dagegen war es wichtig, dass alle Menschen in den Genuss von Bildung kommen, gerade auch Arbeiter*innenkinder. Die Jüdin und Sozialdemokratin verstand ihre Arbeit als bildungspolitisches Instrument im damaligen Arbeiterbezirk Neukölln.  Mit ihren fortschrittlichen Ideen, etwa zur Öffnung der Bestände, legte sie die Grundlagen für ein modernes Bibliothekswesen. Darüber hinaus setzte sie sich für eine Professionalisierung des Bibliothekars-Berufs ein – damals wie heute vorwiegend ein Frauenberuf.

Um Bildungsgerechtigkeit geht es auch heute

Wegweisend und hochmodern, nannte Karin Korte, Neuköllns Bildungsstadträtin diese Ansätze. Um Chancengleichheit geht es schließlich auch im Neukölln des 2.Jahrtausends. Mit der Umbenennung, zeitgleich  zum Umzug vom Standort Erlanger Straße in die Neukölln Arcaden Anfang 1989, wollte der Bezirk die Verdienste von Helene Nathan ehren. Die Bibliothek war ihr Lebenswerk. 1933 wurde sie von den Nationalsozialisten entlassen. 1940, als eine Flucht nicht mehr möglich war, nahm sie sich das Leben.

Mehr als nur Bücher ausleihen

Längst sind Stadtteilteilbibliotheken Lern- und Veranstaltungsorte für ganz unterschiedliche Besucher*innen. Hier werden Hausaufgaben gemacht, fürs Studium recherchiert, Kitagruppen herumgeführt  oder Puppentheater gezeigt. Das führt mitunter zu Konflikten, denn wer ruhig lesen oder arbeiten möchte, fühlt sich durch Jugendliche, die laut sprechen oder herumalbern, gestört. Als die Konflikte vor ein paar Jahren hochkochten, stand man vor der Frage: schließt man bestimmte Nutzergruppen aus und erteilt Hausverbote für Störer*innen oder versucht man, sie zu integrieren. Nach einer Befragung von Mitarbeiter*innen und Nutzer*innen wurde beschlossen, die Bibliothek zu einem Ort für alle umzubauen. „Schließlich ist es ausdrücklich erwünscht,  dass die Jugendlichen in der Bibliothek lernen“, erklärt Quartiersmanager Thomas Helfen. Viele haben zu Hause kein eigenes Zimmer. Das Quartiersmanagement Flughafenstraße finanzierte den Umbau mit rund 178 000 Euro aus dem Programm Soziale Stadt.

Drehende akustische Inseln als Highlight

Über Monate wurde umgeräumt, mit dem Hauptziel, ruhige und laute Nutzungen zu trennen. So ist im Erdgeschoss ein Jugendbereich mit Lernzentrum entstanden. Hier können die Schüler*innen in Gruppen arbeiten. Die neu angeschafften Tische und Computer sind fast immer belegt. „Es klappt wunderbar, gerade weil die Jugendlichen das jetzt als ihren eigenen Bereich sehen“, sagt Evelyn Stussak, Leiterin des Fachbereichs Bibliotheken. In der oberen Etage wurde eine gemütliche Leselounge eingerichtet. Auch die Zeitschriften befinden sich jetzt oben, neben den Einzelarbeitsplätzen. Sie werden viel von Studierenden genutzt.  Laptops können ausgeliehen oder mitgebracht werden. Außerdem gibt es ein Sprachlernzentrum, wo sämtliche Medien, die mit dem Erlernen von Fremdsprachen zu tun haben, zu finden sind. Als Hit, nicht nur bei Jugendlichen, haben sich die beiden neuen „Sonic Chairs“ erwiesen. Das sind Kopfhörer-Sessel, in die ein Tablet fest installiert ist. Hier kann man surfen und Musik hören, ohne dass Geräusche nach außen dringen.

„Alles wurde bei laufendem Betrieb umgebaut, das war eine riesige Herausforderung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Evelyn Stussak. Doch mit dem Ergebnis sind alle glücklich. Die Helene-Nathan-Bibliothek sei nun perfekt gerüstet für die Herausforderungen der Zukunft, lobte die Bildungsstadträtin.