Industriebrache auf dem Weg zum lebendigen Stadtteil

Bei der Entwicklung des Kindl-Areals können Anwohnende mitreden.

Quelle: Jens Sethmann

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Quelle: Jens Sethmann

Wo man heute noch mit Karts im Kreis rasen kann, soll sich in Zukunft alles ums Lernen drehen. Die Eigentümerin Terra Libra Immobilien GmbH möchte auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei die Interkulturelle Waldorfschule Berlin (IKWS) für rund 400 Schülerinnen und Schüler bauen. Daneben sollen Büro-, Gewerbe- und Kulturnutzungen zu einer guten und lebendigen Mischung beitragen. Für diese Mischung steht der Name des Projekts: Kindl-Konglomerat.

Wie das aussehen kann, wird seit Juni in einem Werkstattverfahren unter dem Titel „Schule findet Stadt“ ermittelt. Daran nehmen drei Teams teil, die aus Architektur- und Landschaftsplanungsbüros zusammengestellt wurden. Jedes Team entwickelt eigene Entwürfe, die laufend mit Bürgerinnen und Bürgern besprochen und abgeändert werden. Vom 1. bis zum 14. September gab es auf https://mein.berlin.de/projekte/kindl-konglomerat/ die Möglichkeit, die Entwürfe anzusehen und zu kommentieren. Die Büros arbeiten die Anregungen in ihre Pläne ein. Ende Oktober entscheidet dann ein Gutachtergremium darüber, welcher Vorschlag sich am besten in die bestehende Nachbarschaft einfügt und gleichzeitig ökologisch und sozial zukunftsfähig ist. Der mit allen Beteiligten abgestimmte Entwurf ist dann der „Konglomeratsplan“ für das zukünftige Bauvorhaben.

Drei Entwürfe stellen sich dem Bürger-Urteil

Die Aufgabe ist ungewöhnlich. Die heutige Kart-Halle steht auf den ehemaligen Vollgut- und Flaschenkellern der Brauerei. Vom Kindl-Gelände aus gesehen ist sie ebenerdig, von der tiefer liegenden Neckarstraße aus erscheint sie jedoch als das oberste Stockwerk des weiß gekachelten Gebäudes.

Team 1, bestehend aus Studio Vlay Streeruwitz aus Wien und Atelier le Balto aus Berlin, möchte nur die Trägerkonstruktion der Halle als Skelett stehen lassen und die Kellergeschosse mit einem eingeschnittenen „Canyon“ erschließen. Für die Schule sollen drei „Pfahlbauten“ entstehen, die über allem schweben.

Team 2, die Berliner Büros ff Architekten mit Häfner Jimenez und Betcke Jarosch Landschaftsarchitekten, will ressourcenschonend bauen und vom vorhandenen Gebäude möglichst viel weiternutzen. Sie schneiden eine „Kindl-Promenade“ durch die Halle und möchten den vorderen Teil für die Schule aufstocken.

Team 3 mit den Architekten Kersten und Kopp sowie capattistaubach urbane landschaften aus Berlin schlägt vor, durch einen großen Gebäudeeinschnitt an der Neckarstraße einen neuen Haupteingang zu schaffen. Die Kart-Halle wollen sie abreißen und an ihrer Stelle neue Gebäude mit bis zu drei Stockwerken errichten.

Aus einer Brauerei werden viele Projekte

Wann der Bau des Kindl-Konglomerats beginnt, steht noch nicht fest. Es wird der letzte große Baustein auf dem Gelände der im Jahr 2005 geschlossenen Brauerei sein. Die Firma Terra Libra Immobilien ist eine Tochter der Schweizer Stiftung Edith Maryon, die das Kindl-Gelände 2015 erworben hat. Ihr Ziel ist es, „eine der großen Industriebrachen in Neukölln langfristig für soziale, kreative und ökologische Nutzungen zur Verfügung zu stellen und zu sichern“, so die Stiftung. „Das Gelände soll zu einem attraktiven Ort der Arbeit und Begegnung werden und einen Beitrag zu einer guten Nachbarschaft leisten.“ 2016 bekam das Areal mit der Kindl-Treppe erstmals einen direkten Zugang vom Flughafenkiez aus. Im selben Jahr eröffnete im Sudhaus – dem alles überragenden roten Backsteinbau – das Kindl-Zentrum für zeitgemäße Kunst.

Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Brauerei wurde in Erbpacht an den Verein Global Village vergeben, der hier ein Eine-Welt-Zentrum einrichtet. Der ergänzende Neubau soll noch in diesem Herbst eröffnet werden.

Ebenfalls in Erbbaurecht wurden zwei Teilgrundstücke an die Genossenschaft TRNSFRM abgegeben. Direkt neben der Kindl-Treppe errichtet sie in einer experimentellen Holz-Hybridbauweise das Haus „Alltag“ für soziale Bewohnergruppen und Dienstleistungen. Es soll auch noch in diesem Jahr fertig werden. Auf der anderen Seite des Hofes baut die Genossenschaft ein Gebäude für ein „Circular Economy House“ um, in dem man sich um die Themen Recycling und Kreislaufwirtschaft kümmert.

An der Rollbergstraße soll außerdem anstelle des Vorhofs mit dem Eingang zum SchwuZ ein neues Bürogebäude entstehen. Hier wird der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) mit seiner Bundesgeschäftsstelle einziehen.

Ideensammlung für den Kindl-Hof

Die Freifläche zwischen den Gebäuden wird seit drei Jahren von verschiedenen Zwischennutzungen belebt. Hier haben Studierende der Technischen Universität Berlin im Sommer 2018 einen temporären Pavillon errichtet, der zu 88 Prozent aus recycelten Baumaterialien besteht und als Infozentrale dient. Rund herum ist mit dem Stadtgarten des Vereins Zuhause e.V. ein beliebter Treffpunkt für die Nachbarschaft entstanden.

Um Ideen für die Zukunft des „Kindl-Hofes“ und des darunter liegenden ehemaligen Gärkellers zu sammeln, hat das Büro subsolar am 12. September am Info-Pavillon ein „Kindl Community Cooking“ veranstaltet. Beim gemeinsamen Gemüseschneiden und Kochen eines „Kindl-Currys“ sind Leute, die auf dem Gelände aktiv sind, und Nachbarinnen und Nachbarn ins Gespräch gekommen. Symbolisch haben sie aus Zukunftsideen „Zeitmaschinen“ gebaut: Man bräuchte zum Beispiel im Sommer auch schattige Stellen und nachts so etwas wie einen künstlichen Vollmond – eine Beleuchtung, damit sich niemand auf dem Platz unsicher fühlen muss. Andere Vorschläge waren eine Pilzzucht im Keller, ein Trinkwasserbrunnen und Trockentoiletten. Im Info-Pavillon ist ein anschauliches Modell des Hofes ausgestellt. Für noch mehr Ideen soll es künftig weitere „Zeitmaschinen“-Veranstaltungen geben.

Info-Kontakt per E-Mail: zeitmaschinen@subsolar.net.